Musik öffnet die Sinne, das Herz und den Himmel. Im Hören von Musik können Sie die tieferen Schichten Ihres Wesens wahrnehmen. Musik verbindet sich mit unseren innersten Wünschen und deckt unsere verborgenen Sehnsüchte auf. Vielleicht werden Ihnen dabei Augenblicke von Zeitlosigkeit und reiner Gegenwärtigkeit geschenkt. Hinzu kommt, dass Musik eine besonders hohe Form von Begegnungen mit Menschen ist. Und wahres Leben ist Begegnung. Somit gehört erst recht Musik zum wahren Leben.


 

  Mein Schallarchiv

 Klassik

Peter Tschaikowsky

 und

Symphonische Unterhaltungsmusik

vom größten Rundfunk-Orchester aller Zeiten

 Das Orchester Harry Hermann

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Harry Hermann: "This heart of mine"
Track 08.mp3
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Dieses Musikstück habe ich ausgesucht, weil es die meisten aller vom Orchester Harry Hermann präsentierten Arrangements widerspiegelt: Melodieführung durch wechselnde Soloinstrumente, von klassischer Orchestrierung bis hin zu einer  Bigbandcharakteristik der Tanzmusikelemente. Dazu funktionelle, von der Melodie geleitete, Harmonieführungen.

 

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Erkennungsmelodie des Orchesters Harry Hermann (ab 1955)
Das Orchester Harry Hermann benutze damals als Erkennungsmelodie für seine halbstündigen Konzerte im NWDR Gershwins "Embraceable You".
Erkennungsmeldodie HH.mp3
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"Es gibt keine ´leichte` oder schwere Musik, sondern nur gute und schlechte"  (Harry Hermann")
"Es gibt keine ´leichte` oder schwere Musik, sondern nur gute und schlechte" (Harry Hermann")

Neue Edition 4 CDs, von Hans Buchholz 2011
Neue Edition 4 CDs, von Hans Buchholz 2011

 

Das Orchester Harry Hermann stellt etwas Einmaliges unter den diversen Rundfunkorchestern der ARD- Anstalten dar. Einen ähnlichen Klangkörper hat es in der deutschen Rundfunklandschaft weder vor 1945 noch danach bis heute jemals wieder gegeben. Es wirkten einmal 50 oder 80 und manchmal auch über 100 Musiker gleichzeitig mit. Das Orchester wurde anlässlich George Gershwins 60. Geburtstag vom seinerzeitigen Leiter der Musikabteilung des damaligen NWDR, Harry Hermann Spitz, gegründet - so will es jedenfalls die Legende, doch das wäre erst 1958 gewesen. Er allein hatte die Möglichkeit, ein so großes Orchester aufzustellen, das aus Musikern verschiedener Rundfunkorchester des damaligen NWDR bestand, nämlich des Sinfonieorchesters unter Leitung von Dr. Hans Schmidt- Isserstedt, des Hamburger Rundfunkorchesters unter Leitung von Willy Steiner und Wilhelm Stephan, des Kleinen Unterhaltungsorchesters unter Leitung von Walter Günther und der Tanzorchester unter Leitung von Alfred Hause, Franz Thon und Günter Fuhlisch.

 

Ein so großer und teurer Klangkörper wäre keinem anderen zugebilligt worden als Harry Hermann Spitz, der in seiner Doppelfunktion als Musikchef und Dirigent so etwas fertig brachte. In den ersten Nachkriegsjahren war vieles möglich, was heute schon aus Kostengründen undenkbar wäre. Außerdem hatte Harry Hermann Spitz den „Bonus“, unter der rassistischen Verfolgung der Nazis gelitten und trotzdem überlebt zu haben - vielleicht, weil er sich Anfang 1945 aus dem mit KZ-Häftlingen vollgepferchten Dampfer „Cap Arcona“ nach dessen Bombardierung retten konnte.

 

Harry Hermann Spitz wurde 1899 - noch in der Ära der Habsburger - in Brünn geboren. Er lebte in Wien, wo er Musik studierte, machte als Bratschist mit dem berühmten Guarneri- Quartett Konzertreisen in fast alle Länder Europas und nach Amerika. Er kam 1929 nach Köln zur WERAG, wie sich die Westdeutsche Rundfunkgesellschaft damals nannte. Das Dritte Reich zwang ihn zur Flucht nach Frankreich, doch 1940 brachten ihn seine Häscher in ein deutsches KZ, in dem er fünf Jahre festgehalten wurde. Die Folgen dieser Zeit hat er nie ganz überwunden. Nach dem  Zusammenbruch ging er nach Schweden, wo er Kapellmeister beim Schwedischen Rundfunk wurde. Da er aber vor 1933 bereits in Köln in der Rundfunkabteilung an führender Stelle organisatorisch gearbeitet hatte und daher über entsprechende Erfahrungen sowohl auf dem Verwaltungs- als auch auf dem Musiksektor verfügte, bekam er Ende 1947 in Hamburg beim damaligen NWDR die Stelle als Hauptabteilungsleiter für Musik.

Musikalität ist stets das tragende Element in der Arbeit von Harry Hermann Spitz geblieben, denn sein Leitspruch hieß: Es gibt keine ´schwere` oder ´leichte` Musik, sondern nur ´gute` und ´schlechte`“. Schnell bestätigten ihm auch seine Kritiker, dass alles, was er anpackte - ob klassische oder konzertante Tanzmusik -, gute Musik sei. Obwohl sein Leben in der ersten Hälfte der 50er Jahre zwischen Notenpult und Schreibtisch verlief, stand bei ihm seine Dirigententätigkeit stets an erster Stelle.

Er begründete auch das so genannte „Neue Werk“, eine Veranstaltungsreihe, in der seinerzeit beispielsweise die Oper „Ein Landarzt“ nach Kafka mit der  Musik von Hans-Werner Henze im Funk uraufgeführt wurde. In der Reihe „Alte Werke“ hingegen konnte man die Musik der alten Meister regelmäßig hören. Damit stellte er der Öffentlichkeit vergessene Oeuvres großer Komponisten vor. Ein Ereignis von über- zeitlicher Bedeutung in der Musikgeschichte war 1954 die Uraufführung der nachgelassenen Oper „Moses und Aaron“ von Arnold Schönberg, deren Partitur Harry Hermann Spitz aus dem Nachlass Schönbergs erwarb und deren schwierige Vorbereitung und Ausführung er verantwortete. Die Musik in allen ihren Formen war das Arbeitsfeld dieses ganz seiner Kunst hingegebenen Musikers, und seine Musikabteilung an der Rothenbaum - Chaussee galt als avant- gardistisch, bis die immer mächtiger werdende Konkurrenz des nun vom NWDR losgelösten Senders WDR in Köln diesen Platz einnehmen konnte.

 

Harry Hermann Spitz investierte sein Prestige zwar mit Vorliebe in die Sparte Unterhaltungsmusik, doch ist die Erfindung der so genannten Funkoper, i.e. eigens für die Rundfunk komponierte Opern, weitgehend sein Verdienst.

 

Die ersten Aufnahmen aus den Jahren 1951/52 laufen noch unter „Das große Rundfunkorchester unter Leitung von Harry Hermann“, bis sich dann 1952 endgültig der Name „Das Orchester Harry Hermann“ etabliert. Die Erkennungsmelodie wird Gershwins „Embraceable you“, und wenn sie im Rundfunk erklingt, ist Qualität angesagt. In diese Zeit fällt auch die Einrichtung des UKW-  Programms, denn bis 1950 hatten alle Rundfunksender nur das Mittelwellenprogramm  im Angebot. Als die UKW-Wellen technisch für den Rundfunkempfang genutzt werden konnten, entstanden die so genannten zweiten Programme auf UKW, die ein großes Musikangebot erforderlich machten. Allein im NWDR und späteren NDR wetteiferten drei Tanzorchester unter Günter Fuhlisch, Alfred Hause und Franz Thon um die Gunst der Hörer, und das Orchester Harry Hermann, das Mitglieder aller Orchester in sich vereinigte, war sozusagen die Krönung. Günter Fuhlisch erinnert sich, dass es eine Spezialität von Harry Hermann war, die gespielte Musik etwas „in die Länge zu ziehen“, während die Orchestermitglieder - oft fast heimlich - darauf drangen, mehr „nach vorn“ zu spielen, um die breit angelegten Tempi des mächtigen Klangkörpers insbesondere am Ende der Musikstücke nicht zu sehr zu spreizen, obwohl letzten Endes stets der Dirigent das Tempo bestimmt.

 

Er setzte sich als Leiter der Musikabteilung sehr für die Belange der Orchester und Mitarbeiter ein, wie Zeitzeugen berichten. Wie viele große Menschen erlitt auch Harry Hermann das Ungemach von Verleumdungen, die ihn 1956 innerlich so trafen, dass er sich nicht mehr in der Lage fühlte, die Hauptabteilung Musik weiterleiten zu können. Er widmete sich daraufhin ausschließlich seiner Tätigkeit als Dirigent des einmaligen Klangkörpers „DAS ORCHESTER HARRY HERMANN“.

 

Seine Arbeit am NWDR brachte natürlich auch einige Veränderungen mit sich, die ihm nicht  nur Freunde verschafften. Doch die Orchesterleiter Franz Thon, Alfred Hause und Günter Fuhlisch sagen übereinstimmend, dass Harry Hermann neuen Ideen aufgeschlossen gegenüber stand und viel für alle Orchester des NDR getan hat. Er bot den Musikern Möglichkeiten zu ihrer musikalischen Entfaltung und hat ein Jahrzehnt die Musik im NDR gestaltet. Als er sein Amt 1947 übernahm, war die Arbeit im deutschen Rundfunk nicht gerade leicht, denn speziell im Sektor der Unterhaltungsmusik gab es keine Maßstäbe mehr - außer der ewigen Suche nach Melodien, denn wenn diese ausgehen, gibt es auch keine Musik mehr.

 

Der größte Teil aller Einspielungen sind reine Instrumentalaufnahmen, die von erstklassigen Arrangeuren bearbeitet und häufig von Spitzendirigenten wie Richard Müller- Lampertz, Alfred Hause oder Wilhelm Stephan einstudiert wurden. Harry Hermann setzte Qualitätsmaßstäbe, die die Orchester des NDR weit über Norddeutschlands Grenzen hinaus  bekannt und geachtet werden ließen. Der SPIEGEL schrieb schon 1949: „Das Harry-Hermann-Radio- Tanzorchester und der NWDR- Musikabteilungsleiter Harry Hermann Spitz persönlich machen Musik - sehr viel Musik“. Die vielleicht ironisch gemeinte Bemerkung ist gleichwohl ein Kompliment für Harry Hermann, der seinen Posten als Musikchef 1956 an Rolf Liebermann übergab. Dieser gab ihn jedoch schon nach zwei Jahren an Winfried Zillig ab, nachdem er zum Intendanten der Hamburgischen Staatsoper ernannt worden war, was vielleicht ohnehin seiner Lebensplanung entsprach.

 

In seinen letzten Lebensjahren, in denen Harry Hermann gesundheitliche Probleme zwangen, nur noch gelegentlich zu dirigieren, sah man ihn auch im Fernsehen, und er hatte großen Anteil an der beliebten Sendereihe „Musik für Millionen“, die ihn einem breiten Fernsehpublikum bekannt machten.

 

Heute noch lebende Interpreten und Solisten erinnern sich an ihre Aufnahmen bei und mit Harry Hermann voller Hochachtung. So schreibt zum Beispiel Anneliese Rothenberger 1997: „Die beiden von mir gesungenen Titel „Zauberhafter Frühling“ und „In mir klingt ein Lied“ finde ich ganz besonders schön. Dieses großartige Orchester unter Harry Hermann Spitz, bei dem auch Hans Last (James Last) mitwirkte, stellt für mich allerschönste Erinnerungen dar“! Die leider zu früh verstorbene Gitta Lind hat beispielsweise ihre Aufnahme von „Ruby“ stets als ihre schönste Rundfunkaufnahme bezeichnet - und war traurig, dass es damals noch keine Möglichkeiten gab, eigene Rundfunkaufnahmen zu erwerben.

 

Harry Hermanns Herz wurde Ende der 50er Jahre immer schwächer und er übergab den Dirigentenstab 1961 an Richard Müller- Lampertz, der das Orchester noch kurze Zeit weiterführte. Als Harry Hermann am 10. Juni 1961 verstarb, hinterließ er allen Musikfreunden etwas Einmaliges, nämlich die herrlichen NDR- Musikaufnahmen des großartigen Klangkörpers „Das Orchester Harry Hermann“.

 

Vor einigen Jahren hat Hans Buchholz dafür gesorgt, dass viele der bis dahin vom Schallarchiv des NDR in Hamburg unter Verschluss gehaltenen Aufnahmen als „Erstveröffentlichungen“ auf mehreren CDs erschienen sind. Ich selbst verfüge in Form alter originaler eigener Magnetbandmitschnitte fast über das gesamte Repertoire jenes Orchesters, und viele jener Aufnahmen sind trotz zunehmender altersbedingter Tonqualitätsverluste noch durchaus „anhörbar“. Die erwähnten CDs und meine privaten Mitschnitte sind für mich ein kostbarer Musikschatz. Erst wenn niemand diese Musik mehr hört oder überhaupt von ihrer Existenz weiß, ist sie tot. Bis dann aber werden auch alle Tonträger dieser Musik auf Grund ihres Alters verstummt und entsorgt sein. Derselbe Musiksommer kommt nicht wieder.